Mittwoch, 19. Oktober 2016

Von Tee, Harmonie und Smartphones

Lai fu fu (www.laifufu.de)  - das ist der richtige Laden in München, um ein Teeschiff und Teegeschirr in Puppenstubenformat zu finden.

Schon lange liebäugeln wir mit dieser, ich gebe ja zu, nicht wirklich dringlichen Anschaffung. Aber seit wir in diesem Laden eine Teezeremonie auf Taiwanesisch miterleben durften, spukt dieser Wunsch in unseren Köpfen. Und die Tees dort - sie schmeckten köstlich, putzen das Gehirn frei - wir waren wach, so herrlich konzentriert wach .... das wollen wir auch für zuhause - mit Stil!

Die junge Inhaberin begrüßte uns freundlich - konnte sich tatsächlich noch an uns erinnern, obwohl die Zeremonie schon fast ein  ganzes Jahr zurückliegt. "Sie waren in einer angenehmen Gruppe - da war es für mich leicht die Zeremonie stattfinden zu lassen", Sie lächelte das immer gegenwärtige asiatische Lächeln - aber etwas zuckt um ihre Mundwinkel. "Was war denn das Angenehme an unserer Gruppe?" fragte ich ein wenig neugierig. "Oh, Sie waren alle so interessiert und haben zugehört." - "Ja, aber ..." ich war etwas verwirrt, Was ist daran schon Besonderes, wenn man bei einer Teezeremonie zuhört und beobachtet, sich von fremder Kultur bezaubern lässt, eintaucht in andere Riten, Traditionen, die weite Welt einlädt? "Niemand bei ihnen hatte sein Smartphone oder Handy benutzt", kam es leise über ihre Lippen. "Wie, wurde die Zeremonie fotografiert und gleich gepostet?" fragte ich ungläubig. "Nein, nein, es wurde nach einer Weile in drei der letzten Gruppen telefoniert und getuschelt und es war keine Aufmerksamkeit mehr bei der Zeremonie. "Ja, haben Sie denn nicht darum gebeten, die Telefone während der Zeremonie nicht zu benutzen?" fragte ich ungläubig. "Ich war mir nicht sicher, ob ich das darf. Es sind Erwachsene, denen ich keine Vorschriften machen kann. Aber vielleicht war ich langweilig.", kommt es traurig. 

Kurz zuvor hatte ich einen Geo-Beitrag auf Arte über den hohen Wert konfuzianischer Regeln im chinesischen Alltag gesehen. Stark vereinfacht könnte man sagen, dass es in der Lehre des Konfuzius um das harmonische Zusammenleben der Menschen geht. Sei es in der Familie, sei es in der gesamten Gesellschaft. Kein Teil der Gesellschaft, ob hoch oder niedrig, ob reich oder arm, ob mächtig oder wehrlos sollte gegen die Harmonie der Schöpfung verstoßen. Statt nun unzählige Regel und Gesetzte aufzustellen, propagierte Konfuzius Rituale. Ritualisierte Verhaltensweisen haben den Vorteil, dass man ohne jeden einzelnen Hintergrund und Regel zu kennen, man irgendwie das tut, was im jeweiligen Kontext harmonisch ist. Es werden so automatisch eine bestimmte Haltung und Werte transportiert und gelebt - soweit die Theorie. Konfuzius wurde erst viele Jahre nach seinem Tod anerkannt und in letzter Zeit suchen im chinesischen Kulturraum mehr und mehr Menschen das konfuzianische Ideal zu leben. Natürlich gibt es auch dort schlechtes Benehmen, aber es hat einen völlig anderen Stellenwert. Es ist nicht nur "unhöflich", es stört die Harmonie der Schöpfung - daher die Trauer der jungen Taiwanesin.

Ja, möglicherweise komme ich jetzt wie eine alte Gouvernante rüber - aber ich stehe dazu - ich habe mich fremd geschämt. Vielleicht sollte unser aller Beitrag für freundliches und friedliches Zusammenleben darin bestehen, dass wir uns respektieren und wahrnehmen. Ich meine ganz schlich und einfach, indem ich dem anderen meine ungeteilte Aufmerksamkeit schenke. 

Samstag, 3. September 2016

Entschleunigung auf Schwedisch

Eigentlich ging nur das Backrohr kaputt. Noch nicht mal ganz, nur der Drehwahlschalter, sozusagen das Gehirn des Backrohrs. Funken, Schmurgel, etwas Rauch und Gestank. 

Spanisches Teil im Herd eines italienischen Herstellers, der zwischendrin Pleite war und jetzt unter dem selben Namen ganz andere Öfen herstellt. Der Herd war ein Direktimport über die italienische Verwandschaft, die sich da auskennt, also alles easy, oder? ODER! "Es ist nicht ganz der gleiche Drehwahlschalter, aber es ist ganz einfach. Schau wo die Drähte herkommen und dann klemmst Du dies nach da und jenes nach dort ... wie? Was verstehst Du nicht?" 
Spätestens nach dem Vorschlag den Herd ins Auto zu laden und in die Heimat zu verfrachten war klar, dass ein neuer Herd fällig war. 


Und wenn man schon mal dabei ist, dann könnte man doch noch dies und das und überhaupt. Das Ende vom Lied ist dann eine neue Küche. Ideen zur Küche, über viele Jahre geschmiedet, steigen aus dem flüchtigen Himmel schöner Vorstellungen herab in die harte Wirklichkeit. Abgesehen davon ist klar, dass die Kunst ein interessantes Leben zu führen darin besteht, kleine Hindernisse zu meistern. Ist das verstanden, führt kein Weg an IKEA vorbei.

Keine Küche von der Stange, keine vorgegebene Idee einer Möbelausstellung. Idealvorstellungen ganz eigener Art schweben durch unsere Köpfe. "Du kannst alles selber machen, ..." steht da - "... musst aber nicht." steht da auch, aber hey, wo bleibt da das interessante Leben? Jetzt sind wir viel schlauer als vorher und beim nächsten Kaffeeklatsch können wir was erzählen. Zum Beispiel, dass es niedrige, halbhohe und hohe Schubladen gibt, wobei entweder zwei hohe, vier halbhohe oder acht niedrige in einen Unterschrank passen, auch wenn ein Unterschrank mit zwei Schubladen bestellt wird, zwei halbhohe drin sind, die Fronten allerdings die hohen sind. Man kann natürlich jeweils niedrige, halbhohe und hohe kombinieren, muss nur aufpassen, wenn es Schubladen hinter einer Türe sind, die Schienen dann in andere Bohrungen geschraubt, sowie andere Fronten und Scharniere mit 153 Grad Öffnungswinkel gebraucht werden. Diese sind allerdings nicht von hause aus dabei, es könnte ja sein, dass andere zum Einsatz kommen, die es natürlich auch gibt. Ist doch nicht so schwer zu verstehen. Wir geben sowieso nicht leicht auf und nach Maria Himmelfahrt stellt uns die Spedition die Garage mit gefühlten 1001 Kartons voll. Wenn was fehlt oder was zuviel ist, dann hilft Ihnen Ihr Möbelhaus weiter, sagt der kräftige Herr von der Spedition.
Zwei Wochen intensive Zusammenarbeit zwischen Stichsäge, Bohrmaschine und Staubsauger, zwischen vorgegebenen Bohrlöchern und eigener Schnitzkunst, kleine Blessuren inklusive. Dann ist es soweit: die Küche steht und wir finden sie schöner als wir dachten, dass sie werden würde.

Mit einer kleinen Kiste überzähliger Teile, sowie einer Liste mit fehlenden Teilen finden wird uns im Möbelhaus ein. Wir sind zu früh - die Tore sind geöffnet, allerdings nur die Cafeteria ist für das Zelebrieren eines Frühstücks vor dem Einkauf im Einsatz, mit unbegrenzten Kaffee zu 50 Cent. Wir hatten schon gefrühstückt und warten in dem, von blau-gelben Engeln noch nicht besetzten Umtausch-Center.

Gute Gelegenheit zum Beobachten was um uns herum geschieht. Von Windelhose bis zu steifen, alten Knien, alle Altersstufen erklimmen die Treppe zum Köttbullar-Tempel, Start und Ziel des Ausstellungsslaloms. Mitten in der Woche, vormittags um 9.15 Uhr ...  ich wusste davon und doch staune ich immer wieder.

Die SB-Halle ist leer, die fehlenden Scharniere schnell gefunden, aber einige der gesuchten Teile gibt es nur in der Küchnenabteilung. So erklimmen auch wir den ersten Stock, reihen uns ein in die Schlange der Wohnzimmerbewunderer, der Büromöbelausmessenden, der Schlafzimmerprobierer und der Kinderzimmerspielnden ... Wann bitte kommt endlich die Küchentabteilung? Wir wollen doch nur Besteckeinsätze!

Stopp - hier wird entschleunigt. Hier darfst du dich ganz langsam vorbeischlängeln an Traum-verlorenen Mittvierzigern, die auf Boden aufgemalten Hüpfspielen ihre Kindheit wieder entdecken. Hier versuchen wir, wie beim Indianerspielen, kleine Abkürzer zu entdecken zu unserem Ziel: Besteckkästen in der Küchenabteilung. Am Infostand nachgefragt, wo die Besteckkästen sind. "Da wo die hübschen Mädels stehen", sagt sie. "Welche Mädels?" -  "Naja, da wo das Schild mit 3,99 hängt". Tief durchatmen, nicht ungeduldig werden, die Mitmenschen sehen, wahrnehmen, wie wir alle unsere ganz persönlichen Ziele verfolgen, sehr individuell, jede/r auf seine Art. Und dabei nicht vergessen: was will ich hier wirklich, was nicht ...

Und achtsam bleiben, niemanden anrempeln, nicht drängeln, Zeit atmen ...

Es muss nicht IKEA sein. Der Alltag bietet bei jeder Tätigkeit die Möglichkeit zu überprüfen: wie aufmerksam bin ich wirklich?

Die letzten Tage erinnerte ich mich oft an die indianische Weisheit: "Mediationsübungen, die das Korn nicht wachsen lassen, taugen nichts."


Donnerstag, 2. Juni 2016

Durch Raum und Zeit


Selbst dem Dichter zeigt sie die kalte Schulter. Sein „Verweile doch, Du bist so schön…“ verhallt folgenlos. Die Zeit, sie kommt nicht wieder und wenn man den Trick mit der Wiederholung versucht, kommt nicht dasselbe dabei heraus. Die Vernunft weiß das natürlich, aber das Gefühl möchte doch so gerne. Manchmal findet man sich auch in einer Wiederholung wieder, obwohl man das nicht vorhatte und dann geschehen Dinge, die sich irgendwie merkwürdig anfühlen. Soweit ich das feststellen konnte, eignen sich „aufgeladene“ Ort für solche Erlebnisse gut. Also etwa Wallfahrtsorte und da hatten wir auf unserer letzten Italienreise eine reiche Auswahl.

Via Francigena: Ponte della Madalena - Provinz Lucca
Da windet sich ein alter Pilgerweg über den Apennin, die „Via Francigena“ die wohl auch am Monte Amiata vorbeiführte und dort im Kloster San Salvatore im Jahr 876 erstmals als Name auf einem Pergament auftaucht. Dieser Weg heißt so, weil er von Frankreich kommt, aber es gibt Vermutungen, dass eigentlich Canterbury in England der Ausgangspunkt ist. Wenn man das Wort „Pilgerweg“ hört, denkt man irgendwie an einen Feldweg oder jedenfalls etwas Schmales, auf dem man zu Fuß unterwegs ist. Aber das ist nicht die einzige Fehleinschätzung. Pilgerwege haben auch so etwas wie ein Einzugsgebiet und manchmal bilden sich darin Orte erhöhter Anziehungskraft, die so einem Pilgerweg eine Kurve aufzwingen. Da haben wir zum Beispiel Assisi.

Assisi
Assisi lag nicht direkt auf unserer Route, aber wie gesagt, die Anziehungskraft ist enorm und die letzten Besuche lagen immerhin 50 und 30 Jahre zurück und nein, wir waren damals keine Kinder. Da braucht man gar nicht erst darüber nachzudenken, ob man noch etwas wiedererkennt.
San Damiano nahe Assisi
Assisi wurde die letzten 800 Jahre praktisch von einem Mann geprägt. Es fing relativ harmlos an. Er riss sich auf dem Hauptplatz die Kleider vom Leib, weil er sich von seinem Vater nichts mehr sagen lassen wollte und rannte nackt aus der Stadt. Er wurde Franziskus gerufen und er war von einer unglaublichen Konsequenz. Er hat ein Leben geführt, das man sich heute kaum mehr vorstellen kann. Als er sich im Jahr 1207 von seinem Vater lossagte war er 25, als er starb 44 Jahre alt. Bald nach seinem Tod wurde er heiliggesprochen. In nur 19 Jahren hat er Spuren hinterlassen, die größer nicht sein könnten.
Basilika San Francesco
Wenn man auf dem Vorplatz der Basilika steht, braucht man nicht gläubig zu sein, um zu sehen, dass sein Beispiel noch heute Spuren legt. Dort finden sich eine Stele und ein kleines Holzboot. Die Stele erinnert an das Schicksal der Armenier vor 100 Jahren und das Boot an die Überfahrt von 9 Menschen von Libyen nach Lampedusa. Auf der Grünfläche wird durch eine Hecke das Wort „Pax“ gebildet. Denkmäler nach Art des hl. Franziskus.

Zu seinen Lebzeiten kümmerte sich Franziskus um die Armen und Kranken, baute eigenhändig die verfallene Kapelle San Damiano auf. Er zog Gleichgesinnte an, setzte eine Bewegung in Gang, obwohl er das eigentlich so nicht wollte, wie es heißt. Was ihm wirklich am Herzen lag, ließ er blind und krank kurz vor seinem Tod aufschreiben. Wir kennen das Lied als den Sonnengesang
Plastik in San Damiano

Und als wir ganz still und alleine am frühen Morgen in San Damiano vor der Kapelle standen - da zwitscherten die Vögel in dem umliegenden Olivenbäumen und Zypressen sein Lied.

Dienstag, 26. April 2016

... und plötzlich ist es Mai

Die Zeit ist einmal mehr im Flug vergangen. Vor fast 3 Monaten habe ich hier den letzten Eintrag geschrieben und nun frage ich mich, wo die Zeit geblieben ist. Obwohl, das Wetter scheint auch noch etwas hinten an zu sein.


Die Zeit, was ist das eigentlich? Dichter und Denker, Wissenschaftler und Laien, kurz wir alle fragen uns das. Aber wie auch immer die Antwort lauten mag, meistens bleibt nur übrig: sie fehlt uns. Wenn viel zu tun ist, weil nicht alles hineinpasst, was man sich vorgenommen hat, sie fehlt uns wenn es schön ist, weil das Vergnügen zu kurz scheint. 
„Wenn in Eile, gehe langsam.“ – so lautet eine chinesische Spruchweisheit. Wir sagen: „Eile mit Weile.“
Tatsächlich ist es eine interessante Erfahrung, unter Termindruck Dinge bewusst langsam, aber kontinuierlich zu tun. Das Gehirn sperrt sich, Panik versucht sich breit zu machen, aber dann scheint sich die Zeit zu dehnen. Eine unwirkliche Ruhe kehrt ein und die Arbeit erledigt sich scheinbar von selbst.
„Gut gebrüllt Löwe!“ Aber was tun wenn man – so wie ich jetzt – merkt, dass die Zeit einfach weg ist? Dann schauen wir doch mal, ob die verschwundene Zeit Spuren hinterlassen hat. Ist irgendetwas angebrannt? Ist das zu schmiedende Eisen wieder kalt? Liegen da ein paar Scherben am Boden? 
Wie, die Welt hat sich einfach weitergedreht? Darf die Welt das?
Oh ja - und sie tut es auch. Schon lange. Sehr lange.


Am letzten Sonntag haben wir mit Hilfe von Freunden einen weißen Fleck auf unserer Landkarte erkundet. In der Nähe von Wessobrunn gibt es den Paterzeller Eibenpfad. Dort stehen seltene Exemplare der ältesten heimischen Baumart, den Eiben. Es ist ein Mischwald und die Eiben sind in der Minderheit, einige der etwa 2.000 Bäume sind entlang des Pfades hervorgehoben, aber die meisten entziehen sich dem flüchtigen Blick. Sie sind bis zu 1.000 Jahre alt aber höchstens 20 Meter hoch und werden von einer 50-jährigen Fichte locker in den Schatten gestellt. Manche sind hohl, andere gespalten, wieder andere umgestürzt. Die Eiben sind giftig, ungeheuer vital und alle scheinen eine Persönlichkeit zu haben. Wenn man die Hand an ihren Stamm legt spürt man etwas ... Zeitloses.




Sonntag, 14. Februar 2016

Randnotiz: Zeitgeist

Da klingelt ein etwa 20-jähriger Mann aus New York an der Türe, der Ostereier aus der Slowakei anbietet, um – wie er sagte - mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Ich meine: New York, Wien, Prag und dann … Türkenfeld? Ostereier? Dann, auf der Suche nach Haikus, die ich vor Jahren irgendwo notiert hatte, finde ich 35 Jahre alte Fotos. Aufgenommen zu einer Zeit, in der ich fast so jung war, wie der New Yorker Ostereierverkäufer. Kurz danach klingelt es an der Türe und da steht Hansi – ein Lama. Nein, kein tibetischer Schriftgelehrter, sondern ein südamerikanischer Vetter des Kamels. Ein Zirkus gastiert in der Nähe und Hansi ist auf Werbetour.
Ausgelöst durch ein Sammelsurium verschiedener Dinge und Ereignisse, die irgendwie vor langer Zeit in meinem Leben eine Rolle spielten, habe ich eine Art Flashback. Es ist einer dieser Augenblicke, in denen sich die Sichtweise schlagartig verändert. So habe ich damals die Welt gesehen, so sehe ich sie heute. Was für ein Unterschied. Der junge Mann mit seinen Ostereiern: wäre ich in seinem Alter jemals auf so eine Idee gekommen? Nie und nimmer, aber was dann? 
Da war das Berufsleben. Es waren die wilden Tage der Computerindustrie. Das Buch „Gödel, Escher, Bach“ von Douglas Hofstadter war Pflichtlektüre. Humor war von der Sorte „Per Anhalter durch die Galaxie“. Computer waren sperriges Schwermetall. Wenn die Tanten fragten: „Was machst Du denn beruflich, mein Junge?“ kam ich ins Stottern. Faxe versenden war der letzte Heuler und Internet Zukunftsmusik. Da konnten schon mal Dinge passieren, die nicht so geplant waren. Manchmal war es die Technik, manchmal Politik, aber öfter wusste keiner woran es genau lag – „Murphy’s Law“ genügte als Erklärung völlig. Die Welt stand offen und „The Sky is the Limit“ war das Mantra. Karriere war nicht Thema, das lief so nebenbei und war sowieso etwas anrüchig.
Wassermann-Zeitalter war angesagt: Psychotherapeuten, Schamanen, spirituelle Lehrer aller Richtungen hatten Köcher voller Methoden und Techniken im Angebot. Nichts war zu exotisch oder abgehoben: Atemtechniken, Schwitzhütten, Wirbeltanz, Feuerläufe, kaltes Wasser, warmes Wasser, in Höhlen, auf Gipfeln oder in der Wüste. Und dann die Ökologie, zurück zur Natur, die Erde bestellen und sich friedvoll von selbstgezogenen Gemüse ernähren. Es gibt kaum etwas, was wir ausgelassen haben. Da war die Idee Lamas zu züchten: Ich hatte eine amerikanische Fachzeitschrift abonniert, Farmen besucht, Vorschriften für die Haltung eruiert und wirtschaftliche Überlegungen angestellt. Ich mag diese Tiere, sie haben ein starkes Herz, sich riechen gut und sie schauen einen an, als könnten sie direkt in die Seele blicken.
Wenn ich so zurückschaue, möchte ich an einen ganz großen Schutzengel glauben. Wir haben das alles ohne nachhaltige Schäden überstanden, es war nie langweilig und wir können Geschichten erzählen. Ich hoffe, der junge Mann aus New York hat auch einen Schutzengel, damit er eines fernen Tages Geschichten erzählen, schmunzeln und an den Tag denken kann, als er Ostereier in Türkenfeld anbot. Die Welt fühlt sich ganz anders an als damals.

Mittwoch, 10. Februar 2016

Ostereier

Faschingsdienstag, später Nachmittag, es wird dunkel...
Es läutet an der Türe. Ein kleiner Mann, dunkelhaarig, dunkle Augen, erdfarbene Haut. Er hält uns einen Korb entgegen: "Wollen Sie handbemalte Ostereier kaufen?
Die Denkmaschinerie springt an. Nordafrikaner! Vorsicht! Ich kaufe nichts an der Türe! Ist das eine Falle um ins Haus zu gelangen? Stehen andere dunkle Typen um die Ecke?
"Ich komme aus Amerika und bereise Europa" kommt es in tatsächlich amerikanisch gefärbten Deutsch. "Sprechen Sie Englisch?" 
"Sie kommen aus Amerika, um Ostereier zu verkaufen???" Wir sind verdutzt, neugierig und  - Gott sei Dank - gemeinsam nicht sehr ängstlich. Die Unterhaltung wird auf Englisch weiter geführt. 
"Ja, ich bin Student und will die Menschen in Europa kennen lernen." Wir bitten den kleinen Mann herein, bieten ihm ein Glas Wasser an und er schenkt uns eine Stunde spannendes Mitreisen kreuz und quer durch Italien, Österreich, Deutschland. Seine Eltern sind nach Amerika ausgewandert. Sein Vater Italiener, seine Mutter Japanerin - klein, quadratisch, dunkelhaarig - heute keine leichte Reisekleidung, um offene Ohren und Türen zu finden.
Die handgemalten Ostereier - von einer Freundin aus der Slowakei - wunderschön - auch sie verdient ein wenig mit. 

Aber für Alex sind sie hauptsächlich der Türöffner, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Er verkauft so wenige, dass die Finanzierung seiner Reise damit utopisch wäre. Vor Weihnachten lagen in seinem Körbchen Kerzen - da sprach er mit Menschen in Südtirol und staunt noch heute, dass diese dort ganz natürlich Italienisch und Deutsch sprechen und manche sogar Ladinisch...

Aschermittwoch - die Eier liegen zum Verschenken bereit. Es sind die ganz großen, die Gänseeier. Ihr Geist bewacht das Haus und lässt Menschen mit fröhlichen Herzen, spontanen Ideen und großer Neugier auf das Leben willkommen herein.
Danke Alex für die spannende gemeinsame Zeit und gute Reise!

Mittwoch, 6. Januar 2016

Einmal Zimmer streichen oder besser gleich umziehen?

Drei Töpfe Farbe, viel Weiß, wenig Gelb, etwas Blau, Abdeckfolien, Pinsel, so schwierig kann dies doch nicht sein... Donato und ich sind, was Renovierungsarbeiten betrifft, ein seit 35 Jahren gut eingespieltes Team.

Wie immer, steckt die Tücke im Detail, sprich in all den vielen, vielen Handgriffen, die wir vorher nicht explizit planen konnten.

Was bedeutet es die "Schaltzentrale" der Mozartstraße 6 völlig neu zu gestalten? Die vielen Kabel abzubauen, zu sortieren, neu zu strukturieren? Was bedeutet es, neue Möbel zusammen zubauen, die jetzt darauf warten mit Ordnern, Hängekarteien, Schachteln und Schächtelchen gefüllt zu werden? Und die alten Kästen? Ab in den Keller? Dort warteten noch ältere Kästen, um gesichtet und entsorgt zu werden...

Nun, Ihr könnt Euch vorstellen, dass dieses Projekt nicht in fünf Tagen zu erledigen war. Keller-räumen beschäftigt uns seit zwei Monaten. Auf dem Wertstoffhof warteten sie mittlerweile schon mit dem Schließen, wenn wir nicht wenigstens einen Müllsack vorbei gebracht hatten.

Die letzten Monate in 2015 waren für uns eine herausfordernde, aber auch besondere Zeit. Es war ein großes Aussortieren, Ausräumen, uns frei machen von Altlasten. Dieses Aus- und Aufräumen empfehle ich sonst immer in meiner Praxis - auf Körperebene mit Hilfe kraftvoller Tröpfchen... Hier half nur zähes "Dranbleiben", Putzeimer, Staubsauger und konsequentes Entsorgen. Na ja, und natürlich auch der eine oder andere Cappuccino zwischendurch.


Wir freuen uns - denn es hat sich gelohnt. Donatos Büro ist in unseren Augen wunderschön geworden, viel leichter, viel fröhlicher als zuvor. Jetzt gibt es dort auch einen kleinen Bistrotisch für unsere Cappuccino-Pausen (nicht im Bild - bleibt verborgen). Aus-Zeit, in der Bilder und Vorstellungen für Präsentationen geschmiedet werden, Texte für Zeitungen und Handouts "auftauchen". Hier ist die Traumschmiede neuer Gartengestaltung, unbekannter Urlaubsorten, für Wanderrouten und Einladungen... Wir haben wieder ein "Zuhause" in einer sich völlig neu anfühlenden Umgebung - Raum für Kreativität ist geschaffen.


Wir sind umgezogen von 2015 nach 2016.  Es war ein weiter Weg....
Ich wünsche Euch Allen ein gesundes, kreatives und kraftvolles neues Jahr!