Dienstag, 30. September 2014

Der Alltag hat mich wieder

Was beruhigend ist: nach einem wunderschönen Urlaub kam keine Langeweile auf, als ich wieder eintauchte in den Alltag.


Vergangene Woche waren Donato und ich zur letzten Soluna-Vortragsreise für 2014 in Kempten-Überlingen-Freiburg unterwegs. Ein schöner und intensiver Abschluss. Goldene Herbsttage waren ein Genuss für alle Sinne.

Ganz besonders möchte ich allen, die Freiburg noch nicht kennen, empfehlen, diese grüne Stadt zu besuchen. Es ist ein besonderes Erlebnis durch eine Innenstadt zu laufen, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Wenig Autos, dafür Radfahrer in der Menge. Zunächst Irritation meinerseits, Gefühl immer diesen flitzenden Zweirädrigen ausweichen zu müssen, dann jedoch feststellen dürfen, dass es ein gut eingespieltes Nebeneinander zwischen Fußgängern, Kinderwagen-Schiebende, Rollstuhlfahrern und eben diesen flinken Drahtesel-Treibern gibt. Am Rande zur Innenstadt gibt es auch richtige Parkhäuser für Fahrräder und Fahrrad-Verleihstationen. Die hier im Bild trägt eine runde Scheibe auf dem Dach. Eine riesige Antenne? Für den Kontakt zu den grünen Männchen vom Mars? Nein, Sonnenkollektoren um die E-Bikes zu laden!


Der Samstag-Markt am Dom, hier werden ausschließlich Produkte aus der Region verkauft - war ein Genuss für alle Sinne. Die freundliche Dame an der Rezeption erklärte uns den Weg zum Markt am Münster und sprach mit verklärtem Blick von ihrer persönlichen Hauptattraktion: Käsekuchen! Von Stefan! Der verkauft im Schatten des Münsters - des Stefan-Münsters wohlgemerkt - den weltbesten Käsekuchen. Sagte sie.

Ein kleines gelbes Zelt am Rande des Marktes, auf dem Dach steht deutlich der Name, davor eine Warteschlange - alle wollen den Weltbesten! Die Kuchen werden in verschiedenen Größen, mit Kirschen, mit Mohn oder pur, gut verpackt - sie können ohne weiteres auf die Reise mitgenommen werden - in Windeseile und dennoch freundlich verkauft.

Und was soll ich sagen - das Frühstück am darauf folgenden Sonntag morgen, Cappuccino und weltbester Käsekuchen,  war ein Highlight. Dann raus in die Natur und  alle Anstrengungen der Vortragsreise sind vergessen.





Dienstag, 9. September 2014

Kennst du den Duft der Toskana?

Der letzte Tag unserer Ferien in der Toskana - und gestern Abend schenkte sie uns ihren Duft.
Es war ein strahlender Tag, die Straßen nach Saturnia staubig, die Schwefelquelle extra heiß. Auf der Rückfahrt dann diese große innere Ruhe, die ich immer spüre nach viel stündigem Plantschen in Termalwasser. Der Rücken, der Nacken - alle Muskeln vollkommen entspannt, Natur-Massage unter kleinen Wasserfällen, Saturn hat ordentlich zugegriffen.

Im Urlaubzuhause angekommen, werden alle Handtücher, Badezeug, Kleidung in die Waschmaschine gesteckt - für heute endgültig genug Sulfur geschnuppert. Es donnert - die Spätnachmittagsonne scheint unverwandt, eine einzelne schwarze Wolke kriecht über den Apennin. Und dann ein Regenguss - wie in den Tropen. Donato genießt den Spektakel im Haus-eigenen Swimmingpool.

Eine große Kanne Tee - wir sitzen auf der Regen-geschützten Terasse, schauen der untergehenden Sonne zu. Ihre letzten Strahlen verschwinden, Nebel steigt aus der Talsohle auf, dehnt sich lang, wie Rauchfahnen bildend, dem kleinen Flusstal entlang. Unwillkürlich beginnen wir zu schnuppern. Ist da ein Bauer, der feuchtes, altes Stroh verbrennt? Wir haben es hier schon erlebt, dass ganze Ortsteile in beißenden Rauch eingehüllt werden und die Quelle ein emsiger Bauer ist, der unbrauchbares, feuchtes Stroh verbrennt.

Doch das, was uns die Abendluft jetzt zuträgt, hat nichts beißendes, ist kein Rauchgeruch. Balsamische Düfte beginnen uns einzuhüllen. Weihrauch? Kann nicht sein, es ist Montagabend und kein großer Heiliger besteht auf Feierlichkeiten. Wir stehen auf, gehen umher - bei den Zypressen riecht es besonders deutlich. Das Harz der Bäume mischt sich mit der feucht-warmen Regenluft, verbindet sich mit den Ausdünstungen von Rosmarin, Lavendel und Salbei. Und da ist noch ein unbekannter Strauch mit kleinen weißen Blüten. Kein Jasmin - aber dessen Duft sehr ähnlich und ebenfalls Blüten, die nachts zu duften beginnen. Vollmond-Nacht und wir sitzen in einer riesigen Duftlampe. Der Hund unserer Vermieterin besucht uns, legt sich unter den Tisch, genießt mit uns die Abendstille, lässt sich nochmals zur guten Nacht kraulen und verschwindet wieder.

Bilder der letzten Tage ziehen an uns vorüber:
Monte Amiata, höchster Berg der südlichen Toskana (1738 m um genau zu sein), ein erloschener Vulkanberg, der die Feuchte des Meeres kondensieren lässt und Ursprung vieler kleiner Flüsse ist. Hephaistos hütet noch immer in seinem Inneren das Feuer. Davon zeugen die sulfurischen Termalwasser von Saturnia, San Filippo und anderen kleinen, heißen Quellen rund um den Berg. Eichen, Kastanien, Kiefern und Weißtannen, zum Teil dicht überwuchert von wilder Clematis und Efeu, geben hier Wölfen, Schlangen, Adlern und Geiern ein geschütztes Zuhause. 

Und dann der Skulpturengarten von Daniel Spoerri und Künstlerkollegen - ein 16 Hektar großes Areal das sich über einen der unteren Hügel des Monte Amiata zieht. Skulpturen, dominant erhebend über Trockengrashügel, versteckt hinter alten Olivenbäumen, eingebettet in Buschgruppen, umwuchert von Brombeersträuchern und wildem Wein - Vorsicht beim näheren Bewundern - es könnten Schlangen in der Buschgruppe sein -so die Warntafeln!

Und dann: ein Hügel, gänzlich überwuchert mit Kräutern der Toskana, duftend in der Nachmittagssonne, an dessen Spitze sich, laut Spoerri, der Nabel der Welt befindet, umgeben von neun bronzenen Einhorn-Skelettschädeln. Hier stehe ich lange, lasse die weich schwingende Landschaft tief in mein Herz sinken: kleine Orte auf Hügelspitzen, silbrig-grüne Olivenhaine, brauner Ackerboden, immer wieder strukturierende Zypressenreihen...

Du bekommst Lust auf Toskana? Du hast recht - packe Rucksack oder Koffer und komme. Lass Dir Zeit für die Anfahrt - es liegt so viel Schönes auf dem Weg hier her, versuche zu reisen und jeden Augenblick, auch die lange Anfahrt, zu genießen. 

Unser Ferindomizil  Spazzavento Guest House in Seggiano, können wir wärmstens weiter empfehlen:
Alles Nähere unter:
http://www.fewo-direkt.de/ferienwohnung-ferienhaus/p12817

Und hier noch eine Adressen für Liebhaber/innen von handgefertigten Köstlichkeiten aus Ziegenmilch, wie Yoghurt, Käse aller Altersstufen, Mürbteigkeksen (Hmmmm) oder köstlichem Honig von Erikablüten:
Azienda Agricola: Le Quercette, Locnda Titena 9, 58038 Seggiano (Grosetto)

Es gäbe noch so viel erzählend zu schreiben - habt Nachsicht mit mir - ich will jetzt in die Sonne und den letzten Nachmittag auf dem Amiata genießen.
Ciao, morgen geht es ans Meer nach Caorle.



Sonntag, 7. September 2014

Grüße aus Italien

Auch von Türkenfeld aus ist der Weg in die südliche Toskana weit. Wir haben Urlaub und uns entschlossen, es langsam angehen zu lassen. Welch weise Voraussicht. Das Jahr 2014 scheint für uns das Jahr der Staus zu sein. Aufstöhnen nicht erforderlich - es kommt jetzt keine neue Stauerparty-Geschichte! Aber 10 Stunden Fahrt für die ersten 350 km zur Familie in Norditalien - das war heftig.
Der zweite Fahrtabschnitt lässt sich deutlich entspannter an. Ziel: Bologna, eine Industriestadt der südlichen Poebene, so war sie bei mir bisher gespeichert.



Wir machen hier nicht Station um Sauce Bolognese original zu testen, wir kommen, um uns den Friedhof der Certosa anzuschauen. Ein gruseliges Ferienprojekt? Keineswegs - Cimitero monumentale della Certosa di Bolognia - so Wort-gewaltig wie die Beschreibung dieses wahrhaft großen Friedhofs, so gewaltig die Architektur der einzelnen Familiengruften. Alles was in Bologna Rang und Nahmen hat und hatte, legt Wert darauf, hier beerdigt zu werden. Eine Ansammlung feinster Steinmetzarbeit aus zwei Jahrhunderten, heute auch genutzt für Musikaufnahmen und Sightseeingtours für Touristen.



Wir verzichten auf letzteres und machen uns an einem bewölkten Vormittag, scheinbar alleine, im großen Gelände auf Entdeckungstour. Dabei durften wir eine Beerdigung in vivo miterleben.
Zunächst sehen wir eine Gruppe Friedhofarbeiter. Grün gekleidet, mit Handschuhen und Haarschutz erinnern sie ein wenig an die Besatzung von Operationssälen. Sie bewegen ein hohes Stahlgerüst auf Rollen und fahren allerlei Gerätschaften in einem Miniauto auf den Wegen zwischen den Gräbern auf ein monumentales Marmorgrab zu. Diagonal von der anderen Seite kommt ein größerer Wagen über die Wege gefahren. Wir stehen dazwischen, versuchen uns unsichtbar zu machen im Schatten eines alten Olivenbaumes. Dann hält der größere Wagen an. Drei Grün-Gekleidete springen heraus und heben aus dem Fond einen Sarg auf einen Schubkarren-ähnlichen Wagen, den sie Richtung Stahlgestell ziehen. Wie beiläufig formiert sich hinter dem Sarg ein Grüppchen Menschen, in Alltagskleidung: Jeans, Polo, Sonnenbrille, als letzter ein blasser Herr mit zerknitterter, beiger Regenjacke, ein großes Buch unter den Arm geklemmt. Der Priester? schießt es mir durch den Kopf, aber das kann doch nicht sein... In der Zwischenzeit haben die Grünen mit Hilfe des Stahlgestells eine riesige (monumentale!) Grabplatte weg gehoben. Jetzt wird der Sarg am Gestell aufgehängt. Kaum hat sich die kleine Gruppe Menschen an dem geöffneten Grab eingefunden, wird beerdigt, sprich der Sarg in die Gruft hinunter gelassen. Der blasse Herr hat gerade noch Zeit aus seiner Aktentasche die violette Stola um den Hals zu legen, das Buch aufzuschlagen, Text verlesen - da ist das Begräbnis auch schon zu Ende.
Wir sind betreten und sagen uns, dass die offizielle Trauerfeier wahrscheinlich wo anders stattgefunden hat, dies wohl der letzte Akt im engsten Familienkreis war.
Wir finden zwei kleine Gräber, die mich ungemein berühren. Alte Gräber, winzige Grabsteine, die Aufschriften kaum lesbar unter Rosmarin, Salbei, Oliven- und Lorbeerbaum. Die Bäume sind kräftig, wachsen direkt aus dem Grab von  vor fast hundert Jahren verstorbenen Geistlichen heraus, pulsierendes Pflanzenleben auf kleinstem Grund.



Dann die Kindergräber, die meisten nur angedeutet mit einer kleinen Namenstafel, einige geschmückt mit Spielsachen, ausgewaschen von Regen und Sonne... Eines jedoch ist monumental - ein riesiges Puppenhaus über und über angefüllt und umstellt mit allem, was trauernde Eltern sich für ihr Kind gewünscht haben - Schmerz manifestiert in grellbuntem Plastikspielzeug.




Ein Schatten huscht an uns vorbei - "Scusi", auf dem engen Weg schlängelt sich ein zum Skelett abgemagerter Punk an uns vorbei. Ärmellose Lederweste auf nacktem Oberkörper, Stachelarmbänder, viele Tätowierungen... Er kniet an einem farblosen, kleinen Kindergrab nieder, reißt unwillkommene Wildblumen aus, ordnet - ordnet seinen Schmerz, der für uns so stark spürbar wird, dass es uns die Tränen in die Augen treibt. Was hätten wir von ihm gedacht, wenn er uns irgendwo in der Stadt begegnet wäre?

Erstmals bin ich dankbar, ein GPS zur Verfügung zu haben. Zwei Stunden umherstreifen in immer neuen Gängen, Abschnitten, Rondells lässt das Gefühl aufkommen, den Ausgang nicht mehr zu finden - 

- für immer zwischen überlebensgroßen Engelstatuen, Heiligen, Löwen und langen, in Stein gemeißelten Abschiedsgrüßen, herum zu irren, nicht mehr den Weg zurück ins pulsende Leben zu finden.

Bologna von einer anderen Seite - wir verlassen die Stadt mit den zwei schiefen Geschlechtertürmen, der prachtvollen Altstadt, den bunten Geschäften, den herrlichen Eisdielen mit tief berührenden Bildern im Herzen. Ciau - wir waren nicht zum letzten Mal hier!



Fortsetzung aus der Toskana folgt, sobald ich herrliche Urlaub-Langeweile verspüre!