Mittwoch, 19. Oktober 2016

Von Tee, Harmonie und Smartphones

Lai fu fu (www.laifufu.de)  - das ist der richtige Laden in München, um ein Teeschiff und Teegeschirr in Puppenstubenformat zu finden.

Schon lange liebäugeln wir mit dieser, ich gebe ja zu, nicht wirklich dringlichen Anschaffung. Aber seit wir in diesem Laden eine Teezeremonie auf Taiwanesisch miterleben durften, spukt dieser Wunsch in unseren Köpfen. Und die Tees dort - sie schmeckten köstlich, putzen das Gehirn frei - wir waren wach, so herrlich konzentriert wach .... das wollen wir auch für zuhause - mit Stil!

Die junge Inhaberin begrüßte uns freundlich - konnte sich tatsächlich noch an uns erinnern, obwohl die Zeremonie schon fast ein  ganzes Jahr zurückliegt. "Sie waren in einer angenehmen Gruppe - da war es für mich leicht die Zeremonie stattfinden zu lassen", Sie lächelte das immer gegenwärtige asiatische Lächeln - aber etwas zuckt um ihre Mundwinkel. "Was war denn das Angenehme an unserer Gruppe?" fragte ich ein wenig neugierig. "Oh, Sie waren alle so interessiert und haben zugehört." - "Ja, aber ..." ich war etwas verwirrt, Was ist daran schon Besonderes, wenn man bei einer Teezeremonie zuhört und beobachtet, sich von fremder Kultur bezaubern lässt, eintaucht in andere Riten, Traditionen, die weite Welt einlädt? "Niemand bei ihnen hatte sein Smartphone oder Handy benutzt", kam es leise über ihre Lippen. "Wie, wurde die Zeremonie fotografiert und gleich gepostet?" fragte ich ungläubig. "Nein, nein, es wurde nach einer Weile in drei der letzten Gruppen telefoniert und getuschelt und es war keine Aufmerksamkeit mehr bei der Zeremonie. "Ja, haben Sie denn nicht darum gebeten, die Telefone während der Zeremonie nicht zu benutzen?" fragte ich ungläubig. "Ich war mir nicht sicher, ob ich das darf. Es sind Erwachsene, denen ich keine Vorschriften machen kann. Aber vielleicht war ich langweilig.", kommt es traurig. 

Kurz zuvor hatte ich einen Geo-Beitrag auf Arte über den hohen Wert konfuzianischer Regeln im chinesischen Alltag gesehen. Stark vereinfacht könnte man sagen, dass es in der Lehre des Konfuzius um das harmonische Zusammenleben der Menschen geht. Sei es in der Familie, sei es in der gesamten Gesellschaft. Kein Teil der Gesellschaft, ob hoch oder niedrig, ob reich oder arm, ob mächtig oder wehrlos sollte gegen die Harmonie der Schöpfung verstoßen. Statt nun unzählige Regel und Gesetzte aufzustellen, propagierte Konfuzius Rituale. Ritualisierte Verhaltensweisen haben den Vorteil, dass man ohne jeden einzelnen Hintergrund und Regel zu kennen, man irgendwie das tut, was im jeweiligen Kontext harmonisch ist. Es werden so automatisch eine bestimmte Haltung und Werte transportiert und gelebt - soweit die Theorie. Konfuzius wurde erst viele Jahre nach seinem Tod anerkannt und in letzter Zeit suchen im chinesischen Kulturraum mehr und mehr Menschen das konfuzianische Ideal zu leben. Natürlich gibt es auch dort schlechtes Benehmen, aber es hat einen völlig anderen Stellenwert. Es ist nicht nur "unhöflich", es stört die Harmonie der Schöpfung - daher die Trauer der jungen Taiwanesin.

Ja, möglicherweise komme ich jetzt wie eine alte Gouvernante rüber - aber ich stehe dazu - ich habe mich fremd geschämt. Vielleicht sollte unser aller Beitrag für freundliches und friedliches Zusammenleben darin bestehen, dass wir uns respektieren und wahrnehmen. Ich meine ganz schlich und einfach, indem ich dem anderen meine ungeteilte Aufmerksamkeit schenke.