Montag, 30. Juni 2014

Randnotizen: Stau auf der A8

  Nun gut, ein Stau auf der  A8. Soweit nichts neues, der Sprit ist etwas knapp, also raus bei der Tankstelle Gruibingen. Der Preis für Diesel: astronomisch, wie auch anders. Für  30 € aufgefüllt, wir wollen ja nicht auch noch im Stau mit leerem Tank liegen bleiben. Als wir von der Raststelle weg wollen, steht die ganze Auffahrt voll und nichts geht mehr. Die Polizei weis was sie zu tun hat: alle Schleichwege von der Raststätte sind gesperrt, wer sich durchmogelt wird gefilmt und kriegt Post von der Behörde. Wer sich darüber aufregt, hat nicht verstanden, wozu eine Behörde existiert. Es geht um Verwaltung - von was auch immer. Wenn da ein Stau ist, wird dieser verwaltet, also gefilmt und die Bilder vermarktet. Eine effiziente Behörde zeichnet sich dadurch aus, dass sie ihre Aufgabe reibungslos und  - wenn möglich - profitabel erledigt.
Und wir: alles easy, wir sind ja digital mobil. In die Raststätte rein, zwei Cappuccinos, Notebooks raus, mobiler Hotspot an und einfach Bürokram abarbeiten, irgendwann wird dieser Stau, ca. 2 km vor der nächsten Abfahrt, sich aufgelöst haben. Die mobile Verbindung ist gut, die Daten kommen zäh. Stau auf der Datenautobahn. Wir können förmlich die mobilen Gespräche hören: „Du hör mal, ich steh da gerade im Stau, es wird wohl später….“ Aus jedem einzelnen Auto, jedem LKW der da im Stau steht. Tausendfach, Gruppenschicksal. Aber Moment mal – standen wir vor einem Jahr nicht auch schon genau in so einem  Stau hier? Hey, schau mal, da steht Feng-Shui Rasthaus Gruibingen! War Feng-Shui nicht diese chinesische Baukunst die besonders auf den ungehinderten Energiefluss achtet? Da hat einer sein Energiependel falsch rum gehalten und jetzt gibt es hier regelmäßig Stau, klarer Fall.
Wir waren früh losgefahren aus Ettlingen. Diesem beschaulichen Ort, satt und zufrieden am Flüsschen Alb gelegen. Die Altstadt proper, Blumen auf dem Wehr, an den Brückengeländern. Menschen in der Dämmerung auf der Straße, rauchend, vor den Kneipen, Gläser in der Hand– „ins Bett“, „Zum Sternen“ oder einfach „Irish Pub“ steht über den Türen. Dann dieses schmale Haus, kaum 2 Meter breit, eine schmale Gasse getrennt von dem anderen Haus, in dessen Schatten es sich duckt. Kann man in so einem Haus wohnen? Jedenfalls brennt Licht in dem einen Fenster.
Am Panoramaweg über Ettlingen stehen Villen, deren Garagen vergleichsweise Paläste sind, die Einfahrtstore breit genug jenes Häuschen ganz zu verdecken. Schmiedeeisen mit vergoldeten Verzierungen, gepflasterte Auffahrten, hohe Bäume und irgendwo dahinter von Eibenhecken gesäumte Gärten, vermutlich auch ein geräumiger Wohnsitz – sehen tut man davon nicht viel, man ahnt es mehr. Eine stille Gegend, schwere Wagen in gedeckten Farben parken auf den Straßen – vermutlich die Verwandtschaft zu Besuch. Sehr ruhig alles, ein Film ohne Tonspur. Wir zweigen in eine Lücke zwischen den Sträuchern ab – ob man das darf? Ein Pfad schlängelt sich zwischen zwei verwitterten Maschendrahtzäunen. Kleine Gärten liegen hier am Hang. Alle eingezäunt, zwischen den Zäunen ein schmaler Pfad, gerade breit genug für einen Fußgänger. Eine andere Welt, ein Paralleluniversum, eines mit Vogesenpanorama in diesem Fall.
Gruibingen: Irgendwann ist auch die letzte Email beantwortet, der Kaffee kalt und der Stau noch länger geworden. Also suchen wir uns eine Lücke in dem Blechwurm, der sich an der Raststätte vorbei windet. Menschen im Stau neigen dazu, ihr wahres Gesicht zu zeigen, im Straßenverkehr sowieso, aber im Stau besonders. Manche ergeben sich wie Schafe in ihr Schicksal, manche versuchen das Beste daraus zu machen – etwa einen kleinen, steifbeinigen Spaziergang auf der Autobahn, den schmerzenden Rücken etwas entlasten. Dann diejenigen, die möglichst keine Lücke offen lassen, es könnte sich ja jemand hineindrängeln und diejenigen, die just in diese nicht vorhandenen Lücken hineinwollen. Zum Beispiel dieser gelbe Lastwagen neben uns und der silberne Kombi hinter uns. Der Blechwurm windet sich voran, wir hören ein hässliches Geräusch, sehen eine silberne Radzierblende an uns vorbei auf die Autobahn rollen. Gehört die etwa uns? Kann nicht sein, es war nicht laut genug, es hat nicht geruckelt, und Radzierblenden haben wir auch keine. Puuh! Jetzt sind wir nicht weiter neugierig, wie die Geschichte dort hinten ausgeht, vermutlich wird es erst laut und dann teuer – Blechschäden haben das so an sich. Wir fahren in die neue, geräumige Lücke, halten den Anschluss an die weiterziehende Karawane.
Nach dem Tunnel, hinter dem Hügel die Ausfahrt, die Fahrzeuge alle in einer langen Kette auf der Landstraße aufgereiht. Aber es läuft und das ist schon fast eine Erlösung. -dc-

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