Und wir: alles easy, wir sind ja digital mobil. In die
Raststätte rein, zwei Cappuccinos, Notebooks raus, mobiler Hotspot an und
einfach Bürokram abarbeiten, irgendwann wird dieser Stau, ca. 2 km vor der
nächsten Abfahrt, sich aufgelöst haben. Die mobile Verbindung ist gut, die
Daten kommen zäh. Stau auf der Datenautobahn. Wir können förmlich die mobilen
Gespräche hören: „Du hör mal, ich steh da gerade im Stau, es wird wohl
später….“ Aus jedem einzelnen Auto, jedem LKW der da im Stau steht.
Tausendfach, Gruppenschicksal. Aber Moment mal – standen wir vor einem Jahr
nicht auch schon genau in so einem Stau
hier? Hey, schau mal, da steht Feng-Shui Rasthaus Gruibingen! War Feng-Shui
nicht diese chinesische Baukunst die besonders auf den ungehinderten
Energiefluss achtet? Da hat einer sein Energiependel falsch rum gehalten und
jetzt gibt es hier regelmäßig Stau, klarer Fall.
Wir waren früh losgefahren aus Ettlingen. Diesem
beschaulichen Ort, satt und zufrieden am Flüsschen Alb gelegen. Die Altstadt
proper, Blumen auf dem Wehr, an den Brückengeländern. Menschen in der Dämmerung
auf der Straße, rauchend, vor den Kneipen, Gläser in der Hand– „ins Bett“, „Zum
Sternen“ oder einfach „Irish Pub“ steht über den Türen. Dann dieses schmale
Haus, kaum 2 Meter breit, eine schmale Gasse getrennt von dem anderen Haus, in
dessen Schatten es sich duckt. Kann man in so einem Haus wohnen? Jedenfalls
brennt Licht in dem einen Fenster.
Am Panoramaweg über Ettlingen stehen Villen, deren Garagen vergleichsweise
Paläste sind, die Einfahrtstore breit genug jenes Häuschen ganz zu verdecken.
Schmiedeeisen mit vergoldeten Verzierungen, gepflasterte Auffahrten, hohe Bäume
und irgendwo dahinter von Eibenhecken gesäumte Gärten, vermutlich auch ein
geräumiger Wohnsitz – sehen tut man davon nicht viel, man ahnt es mehr. Eine
stille Gegend, schwere Wagen in gedeckten Farben parken auf den Straßen –
vermutlich die Verwandtschaft zu Besuch. Sehr ruhig alles, ein Film ohne
Tonspur. Wir zweigen in eine Lücke zwischen den Sträuchern ab – ob man das
darf? Ein Pfad schlängelt sich zwischen zwei verwitterten Maschendrahtzäunen.
Kleine Gärten liegen hier am Hang. Alle eingezäunt, zwischen den Zäunen ein
schmaler Pfad, gerade breit genug für einen Fußgänger. Eine andere Welt, ein
Paralleluniversum, eines mit Vogesenpanorama in diesem Fall.
Gruibingen: Irgendwann ist auch die letzte Email beantwortet,
der Kaffee kalt und der Stau noch länger geworden. Also suchen wir uns eine
Lücke in dem Blechwurm, der sich an der Raststätte vorbei windet. Menschen im
Stau neigen dazu, ihr wahres Gesicht zu zeigen, im Straßenverkehr sowieso, aber
im Stau besonders. Manche ergeben sich wie Schafe in ihr Schicksal, manche
versuchen das Beste daraus zu machen – etwa einen kleinen, steifbeinigen
Spaziergang auf der Autobahn, den schmerzenden Rücken etwas entlasten. Dann
diejenigen, die möglichst keine Lücke offen lassen, es könnte sich ja jemand
hineindrängeln und diejenigen, die just in diese nicht vorhandenen Lücken
hineinwollen. Zum Beispiel dieser gelbe Lastwagen neben uns und der silberne
Kombi hinter uns. Der Blechwurm windet sich voran, wir hören ein hässliches
Geräusch, sehen eine silberne Radzierblende an uns vorbei auf die Autobahn
rollen. Gehört die etwa uns? Kann nicht sein, es war nicht laut genug, es hat
nicht geruckelt, und Radzierblenden haben wir auch keine. Puuh! Jetzt sind wir nicht
weiter neugierig, wie die Geschichte dort hinten ausgeht, vermutlich wird es erst
laut und dann teuer – Blechschäden haben das so an sich. Wir fahren in die
neue, geräumige Lücke, halten den Anschluss an die weiterziehende Karawane.
Nach dem Tunnel, hinter dem Hügel die Ausfahrt, die
Fahrzeuge alle in einer langen Kette auf der Landstraße aufgereiht. Aber es
läuft und das ist schon fast eine Erlösung. -dc-